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Jahr: 1925-1934
Bemerkung:
ArtikelNr. 10036

 

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Berlin 1925-1934, 700 Fotos und Dokumente aus Familiennachlass

Konvolut aus dem Nachlass einer Familie, Berlin um 1925 bis 1934. Die Stücke hatten sich, in Kisten verpackt, in einem Münchner Keller jahrzehntelang erhalten. Zusammengefasst sind hier jene Quellen, die eine bestimmte Zeit im Leben der Familie beleuchten, es geht um Berlin von ca. 1925 bis 1934.

Enthalten sind Dokumente, 4 Photoalben und lose Photos (gesamt ca. 700 Bilder).


Zur Familie:

Vater Otto B. wurde 1897 in Kaiserslautern geboren und kam um 1900 mit den Eltern nach Schramberg in Württemberg. Er starb 1959 in Frankfurt. Otto absolvierte von 1913 bis 1915 eine Banklehre in Schramberg. Nach seinem Kriegsdienst (er kämpfte von 1916 bis 1918 an der Westfront) verließ er die süddeutsche Heimat und zog 1920 nach Berlin, wo er bis 1925 in einer Bank arbeitete. Anschließend scheint er einen Tabak- und Pfeifenhandel betrieben zu haben. Irgendwann vor ca. 1930 (und bis zu seinem Tode 1959) arbeitete er dann als angestellter Vertreter für Photographica bei „Kranseder & Cie. Trockenplattenfabrik, München“ [„Kranz-Platten“, „Kranz-Filme“], und wohl selbständig für andere Hersteller.

Über die Mutter Margarethe (geb. Henkel) ist weniger bekannt. Sie wurde um 1900 in Berlin geboren und lernte Otto vor 1927 kennen. Die beiden heirateten 1932 und lebten denn zusammen (in wohl seiner Wohnung) in Berlin Tempelhof, Wittelsbacher Corso (1936 umbenannt in Boelckestraße), Nummer 132. 1934 verließen sie die Hauptstadt und zogen in ein neugebautes Haus in Wilhelmshorst (heute einem Stadtteil von Michendorf im Landkreis Potsdam-Mittelmark). Im Februar 1935 kam ihr gemeinsamer Sohn Jürgen zur Welt. Otto bereiste beruflich Nord-, Mittel- und Ostdeutschland und konnte offenbar nur wenig Zeit mit der Familie verbringen.

Als 1939 der Zweite Weltkrieg begann, wurde Otto schnell reaktiviert und war denn bis 1945 im Einsatz. 1941 wurde er Oberleutnant, ab ca. 1.1.1943 Hauptmann. Er diente in verschiedenen Kranken-Kraftwagen-Kompanien, 1942 bei der 23. ID., dazu wohl auch in 11. Panzer-Division.

Margarethe und Jürgen blieben in Wilhelmshorst und verlebten dort die Kriegsjahre. 1945 durchlebten Mutter und Sohn schreckliche Monate während der russischen Einnahme und späteren Besatzung des Ortes. 1945 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, kam Otto für nur wenige Tage zu Frau und Kind nach Wilhelmshorst. Als ihn die russische Militärverwaltung suchte, floh er nach Schramberg, wo bis 1950 verblieb. Erst 1949 zogen Margarethe und Jürgen ebenso nach Schramberg, 1950 dann ging die Familie nach Frankfurt am Main.

Andere Bildkonvolute aus dem Familiennachlass sind ebenso bei cassiodor.com gezeigt: Zu Wilhelmshorst hier, zu Frankfurt hier und hier, zum Photographica-Vertreter hier, zu Schramberg hier.

Als Vertreter für Photoartikel hatte Otto als „Mann vom Fach“ einen gewissen lichtbildnerischen Anspruch, was sich in zahlreichen gelungenen Bildideen und der Planung ganzer Bildstrecken widerspiegelt. Hervorzuheben sind die zahlreichen Bilder, die in und um und aus den Fenstern der Wohnung am Wittelsbacher Korso in Berlin-Tempelhof aufgenommen wurden: Gezeigt ist ein junges Ehepaar im Berlin der frühen NS-Jahre, dazu die Wohnung mit damals typischem modernem Mobiliar. Eine Bildstrecke bringt die in die Lektüre von "Mein Kampf" vertiefte Ehefrau!


Dokumente:

- Briefbogen mit Vordruck "Otto B., Bruyere-Pfeifen, Raucher-Artikel, Wittelsbacherkorso 132".
- Brief 27.8.1932, mit Umschlag "Stadthalle Hildesheim Restaurant....", geschrieben auf Briefpapier Hotel und Restaurant Germania, Hildesheim Goslarsche Str. 9: "Heute habe ich den ganzen Tag nicht verkooft... Um das Wichtigste vorwegzunehmen: Am Samstag komme ich nach Hause ... Es ist doch besser, wenn wir uns vorher verloben. Das machen wir am Montag, am Dienstag oder Mittwoch geht's dann in den heiligen Stand der Ehe. ... Wegen der Kleiderfrage habe ich es hin und her überlegt. Du weisst ja, dass ich den Klamauk nicht liebe. Am liebsten wäre mir das Kleid aus der Charlottenstraße aus dem letzten Jahre, aber dann müsste ich ähnlich erscheinen...."
- Brief des Otto an Gretel, 27.8.1932, gesandt von Hildesheim nach Berlin Tempelhof.
- Brief des Otto an Gretel, 25.9.1933, gesandt von Hannover nach Berlin Tempelhof.
- Brief des Otto an Gretel, 25.9.1933, gesandt von Hannover nach Berlin Tempelhof, mit Umschlag. Otto schreibt: “Jetzt muss ich Hannover doch noch einmal durcharbeiten, auf höheren Befehl aus München. Vorgestern kam ich von Wilhelmshaven nach Hannover. Aber es war unmöglich, ein Quartier zu bekommen, weil Stahlhelmtag war. Die ganze Stadt war gesperrt, niemand durfte mit dem Wagen hineinfahren. Ich hörte, dass Hitler in einer halben Stunde vorbeikommen sollte, an dem Platz, wo ich gerade stand. Ich ging noch einmal zu meinem Wagen zurück, um den Knipser zu holen. Da hörte ich schon ‘Heil Hitler’ und bevor ich mich versah, war Hitler schon vorbei. Schade! Die Strassen waren im Nu nach allen Seiten hin leer…..”
- Ca. 20 Rechnungen und Geschäftsbriefe meist 1932, es geht um Möbel und Wohnungseinrichtung. Margarete Henkel bestellt im August 1932 von der Rennbahnstraße 113 in Berlin Weissensee aus Möbel für Otto B., Wittelsbacher Korso: Das Paar heiratet im August 1932 und zieht zum selben Zeitpunkt im Korso zusammen. So u.a. Deutsche Werkstätten Hellerau (Rauchtisch, Teewagen, Speisezimmer (Entwurf Prof. Schneck), Ruhesofa...), Quantmeyer & Eicke (Teppich), Beissbarth & Hoffmann Mannheim (Kombinationsküche für Anna Henkel, wohl die Mutter, Januar 1932 in Berlin-Steglitz, Kühlebornweg 14), Morten Mortensen Fahrräder (Staubsauger Protos), Stiefler (Schlafzimmer, 1931 für Kühlebornweg 14), Gebrüder Höfchen (Gläser, Likörschalen...), Schilder-Halle (Kissen etc.), Neven & Co. (Garderobe), Württembergische Metallwarenfabrik (Buffetkästen).
- Konvolut ca. 50 Kleinrechnungen, 1931-1932: Albert Rosenhain, Gebauer-Textil, Kempinski Feinkostgeschäfte (ca. 20x), Aschinger's Konditorei, Raddatz (Mülleimer, Töpfe..., ca. 15x), Grünfeld Sonderhaus für Leinen und Wäsche (ca. 20x). Aufbewahrt in handschr. beschriebene Papierbögen "Inventar Januar 1938" (4 beschriebene Blatt, wohl anhand der Quittungen erstellt).




Photos:

- Photoalbum groß 1, gefertigt von Otto B., Bilder September 1927 bis Ostern 1928. Quer gr.8°, Kordelbindung, ca. 200 s-w-Abzüge differenter Formate. Bild 1 bis 101 handschr. nummeriert, vorne liegt ein Zettel mit maschschr. Bildtiteln und Datierungen. Die Bilder 100-200 lassen sich nicht mehr mit vergleichbarer Sicherheit bestimmen, weder sind sie nummeriert noch gibt es einen Bildlegenden-Zettel. Gezeigt u.a. Schramberg, Heidelberg, Saarow (2 Paare machen Urlaub in Hotel, Otto und Gretel sind bereits zusammen, Text dazu "Nachtquartier in Saarow"), Scharmützelsee, aus meiner Bude (Begasstr. 4), Nachtaufnahme Temliner See, Pfaueninsel, Seddinsee, Wannsee, Gret am Potsdamer Platz, Buckow, Wackes begrüßt Gret am Untergrundbahnhof Wedding Dezember 1928, Leipziger Straße (mit Straßenbahn 79 nach Nordkapstraße), Gret am Schlachtensee (mit Schild "Das Baden am Schlachtensee polizeilich verboten"), Weihnacht in Buckow (auch hier das 2. Paar, Nachname wohl Schaubach), Nachtaufnahme Pschorrhaus am Potsdamer Platz, Bahnhof Neubabelsberg, Freundin am Radio "in meiner Bude", Dahlem, Motorrad mit Seitenwagen bei Birkenwerder, Nachtaufnahmen Potsdamer Platz, Hubertusstock. Dann unbetitelt: Wohl daheim in Württemberg, Freundin und 3 andere junge Frau schminken sich und zeigen ihre Beine, Freundin in Badeanzug am See, Weihnachten mit Freunden, Zeppelin über wohl Berlin, PKW mit Funktürmen, Besuch in Württemberg, Segeln bei Berlin (ähnliche Bilder liegen lose bei, ua. von Sportphotograph Schultz, Spandau, Adamstr. 15, 1x datiert 5.7.1925), Gret bei Tennis.
Dazu ca. 70 lose s-w-Abzüge, teils identisch und ehedem in anderes Album geklebt (mit Resten von Pappecken), teils neu. Ecke Friedrich-Jägerstraße 1.4.1928 / Nachtaufnahmen Potsdamer Platz, Wittelsbacherkorso 14.4.1933, Zeppelin wohl über Tempelhofer Feld (12x), Zeppelin über Häuserschlucht Berlin, Armaturenbrett KFZ mit Kilometerstand 99999, mit Hakenkreuzflaggen bestücktes Haus Wittelsbacherkorso, Polizeiaufmarsch ebda. Am Ende einige Segelbilder um 1925, Gret ist hier nicht zu sehen.





- Photoalbum groß 2, ca. 1928-1932, quer kl.4°, Leinwandeinband, ca. 230 in Photoecken eingeschobene s-w-Abzüge differenter Formate. Das Album ist unbeschriftet. Angefertigt ebenso von Otto. Teils liegen die Abzüge auch lose vor. Gezeigt: Weihnachten (wohl 1931) / tolle Bildstrecke von 16 kleinen Abzügen, gezeigt Unterführung unter Ringbahn (heute BA100) und Gret mit Mülltonnen und Autos und Straßenzug von oben, photographiert im künstlerischen Stil der Zeit ("Neue Sachlichkeit") wohl vom Fenster der gemeinsamen Wohnung aus / Hochzeit wohl von Verwandten in Württemberg / mit PKW in Württemberg / Funkantennen / an den Seen um 1929 / mit Freunden im Riesengebirge o.ä. (Schild Peterbaude) / Reisen, Besuche ... / Wohnung. Hervorzuheben: Mann mit Bär am Straßenrand, Graffiti an Hausfassade "Hände weck von China", Wohnung Berlin.




- Photoalbum groß 3, 1932 - ca. 1934, quer kl.4°, Leinwandeinband, ca. 140 in Photoecken eingeschobene s-w-Abzüge differenter Formate. Das Album ist unbeschriftet und zu ca. 2/3 mit Bildern versehen. Angefertigt ebenso von Otto. Vereinzelt liegen die Abzüge lose vor. Gezeigt: Hochzeit des Paares Otto und Gretl im Bezirksamt Tempelhof (Bild 1, weshalb das Album gut datierbar ist) / kirchliche (?) Heirat mit Festessen / Wohnung (Putzen, Zimmer, Kaffeetrinken mit Hakenkreuz-Aschenbecher, Arbeitstisch, Blick aus dem Fenster, Bad und Toilette, Blumenvasen, Bilder an den Wänden, Sofakissen, Weihnachten, Bücherschrank, Radio, Gretl liest "Mein Kampf", Verwandtenbesuch / Tempelhof (nistender Storch auf Denkmal, Schlittschuhlaufen an gefrorenem Teich, Flughafen) / Reichstag / Badefreuden, Ausflüge, Schramberg in Württemberg / im Sommer im noch fensterlosen) Neubau des Hauses in Wilhelmshorst.




- kleines Photoalbum, ca. 20 Bilder, aufgenommen 1937 (als das Paar in Wilhelmshorst bei Potsdam lebte und einen Sohn hatte) anlässlich eines Berlin-Besuches der Mutter. Gezeigt Platz mit U-Bahn-Eingang / Kino mit Plakat für Hans Albers Heinz Rühmann, Der Mann der Sherlock war / im Café / Tierpark.

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