Vivarium
> Strobel und Soehne
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Jahr: |
ab 1909 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
3237 |
E-Mail
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Kopierbuch 1909-1915 der Firma Jean Strobel, ab Juni 1914 J. Strobel & Sohn, München. Die Quelle enthält die Durchschläge von verschickter Geschäftskorrespondenz vom 27.3.1909 bis Mai 1915, lückenlos erfasst scheint der Zeitraum bis ca. April 1911.
Die Quelle: 4°, Halbleinwandeinband, ca. 500 Blatt mit Kopien von fast ausschließlich handschriftlichen Texten auf Vorderseite, Durchschlag-Papier. Zustand: Der Text ist bei einigen wenigen Seiten kaum lesbar, da der Schreiber nicht fest genug aufgedrückt hatte, einige Seiten mit Falz, Einband fleckig und berieben, sonst gut.
Archiviert sind großteils Rechnungen, aber auch geschäftliche Briefe. Anfangs wurden die Briefe von Jean Strobel selbst geschrieben und unterzeichnet, die Rechnungen tragen oftmals keine Kürzel. Ab Januar 1911 taucht auch der Name von „Oskar Strobl jun.“ auf, dem jüngeren Sohn des Jean. Bis Seite 350 bietet die Quelle anscheinend eine lückenlose Darstellung der maßgeblichen geschäftlichen Vorgänge bei Jean Strobel, also für die Zeit von Ende März 1909 bis April 1911. Ab S. 350 besteht das Buch mehrheitlich aus Zahlungs-Auflistungen nach Empfänger (wahrscheinlich wurden Rechungen an Stammkunden nun als Sammelrechungen verschickt) ohne Absenderunterschrift; wenn Schreiben unterzeichnet sind, liest man öfters „Strobel & Sohn“, Oskar scheint das Rechnungswesen in andere Hände gegeben zu haben, Firmengründer Jean war am 10.11.1914 gestorben. Blätter 497-500 enthalten einen Brief des einen Bruders an den anderen (wohl Oskar an Alfons), es geht um technische Details. Die Liste der Empfänger ist teils ein eindrucksvoller Querschnitt durch das industrielle Deutschland der Zeit. Es finden sich z.B. „Pfaff Nähmaschinen“, „Firma Bossert“, „Firma Krauss Lokomotivfabrik“, „Wanderer Fahrrad-Werke“, „Stiefenhofer Hoflieferanten“, „Firma Greif & Schlick, Coburg“, „Nähmaschinenfabrik Bär & Rempel, Bielefeld“, „Firma „Dürkopp, Bielefeld“, „H. Koch Nähmaschinenfabrik, Bielefeld“, „Hercules Fahrradwerke“, „Express Fahrradwerke AG, Neumarkt“. Dazu liest man von staatlichen Stellen wie „kgl. Taubstummen Institut“ (hier werden 2 gelieferte Nähmaschine Pfaff Central berechnet) oder „kgl. Bekleidungs-Amt“ oder „Frl. Rosa, Institut der Englischen Fräulein zu Nymphenburg“, und natürlich von zahlreichen Privatpersonen. Fahrradreparaturen wurden für Privatpersonen durchgeführt, aber auch regelmäßig für das „kgl. I. Train-Bataillon“.
Das Buch datiert in die Frühzeit des Traditionsunternehmens, als man sich noch nicht auf die Produktion von Spezialnähmaschinen verlegt hatte, sondern als Nähmaschinen-Großhändler, Reparateur und auch Fahrradhersteller fungierte. 1883 heisst es auf dem Briefkopf der Firma: „Jean Strobel, H. Simmerleins Nachfolger, München, Dachauerstr. 14, Nähmaschinen-Fabrik-Lager, Lieferant der Münchener Frauen-Arbeits-Schulen, specielles Lager der bewährten König’s Patent-Singer-Nähmaschinen. ...sämmtliche Maschinen-Ersatztheile .... Reparaturen aller, auch anderswo gekaufter Maschinen und Velocipede .... Eintausch auch alter Maschinen ...“. In einer wohl etwas später gedruckten (und dem Buch beiliegenden) Visitenkarte benennt Strobel den Betrieb „Nähmaschinen- und Fahrrad-Handlung“, dazu vermeldet er: „Alleiniger Nähmaschinen-Lieferant der Münchener Städt. Frauen-Arbeitsschule, des Arbeitslehrerinnen-Seminars sowie sämtlicher Münchener Volksschulen. Lieferant der bayer. Militär-Fahrräder“.
Beiliegend noch ein in den 1980ern gefertigter s-w-Abzug 24x18cm: Gezeigt ein gerahmter Brief Jean Strobels an Siemens & Halske, dat. 1883, nebst Antwortschreiben.
Das Konvolut stammt aus dem Firmenarchiv des Nähmaschinenherstellers Strobel und Söhne, München. Das Traditionsunternehmen wurde um 2005 stark verkleinert. Im Zuge dieser Minimierung wurde das geräumige Firmenareal in Puchheim bei München (Benzstr. 11) aufgelöst. Teile des Archivs konnten vor der Vernichtung gerettet werden – und werden nun hier zum Kauf angeboten. Die betreffenden Archivalien entstammen bis auf wenige Ausnahmen dem Zeitraum bis ca. 1950.
Kurz zur Firmengeschichte: Johannes Strobel aus Hefigkofen bei Tettnang (Württemberg) trat 1875 beim Münchner Nähmaschinenfabrikanten “Simmerlein & Willareth“ ein. 1883 übernahm Johannes, der sich mittlerweile Jean nannte, den Betrieb, der dann „J. Strobel“ hieß. Später kam es zu Umbenennungen: Ab 1914 (Jeans Todesjahr) „J. Strobel & Sohn“, ab 1919 „J. Strobel & Söhne“, ab 1930 „J. Strobel & Söhne Spezial-Nähmaschinen-Fabrik GmbH“. Bis in die frühen 1920er-Jahre hinein wurde der Umsatz des Unternehmens primär durch den Weiterverkauf von Nähmaschinen anderer Hersteller (z.B. Pfaff, Adler) erwirtschaftet, dazu fertigte man Fahhräder und reparierte Maschinen aller Art. Ab ca. 1922 gelang es Strobel, anfangs primär dank der Tätigkeiten des 1919 wieder ins Werk eingetretenen Alfons Strobel (sen.), sich als Hersteller von Spezialnähmaschinen auf dem europäischen Markt zu etablieren. Die Firma war anfangs ansässig in der Brienner Strasse 30-32 (Simmerlein & Willareth), später in der Landwehrstrasse 18 (ca. 1884, Beginn des Baus von Fahrrädern), dann der Erzgießereistrasse 7 (hier genannt „Münchener Velociped-Fabrik J. Strobel“). Ab 1926 fertigte man in der Heimeranstrasse 44 (Kauf Ende 1919) bzw. 42 bzw. Heimeranplatz 2. In den 1980ern zog das Unternehmen dann nach Puchheim um. Ladengeschäfte bestanden in der Dachauer Strasse 14 (erstes „Geschäftslokal“, ab 1883), dann der Dachauer Strasse 26 oder 28 (Ladengeschäft ab 1893), dann der Bayerstrasse 85 (Ladengeschäft ab 1.4.1928, im Zweiten Weltkrieg vollkommen ausgebrannt).
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