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Jahr: |
ab 1927 |
Bemerkung: |
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ArtikelNr. |
8849 |
E-Mail
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Stella Matutina, Jesuiten-Gymnasium. Feldkirch (Vorarlberg), ab ca. 1934 St.Blasien. Konvolut und private Erinnerungen
Konvolut von Büchern, Dokumenten, Ansichtskarten, Briefen und einem autobiographischen Text, aus dem Nachlass eines Zöglings der Anstalt. Wolfgang (geb. 1917) und seine beiden Brüder Konrad (geb. 1918) und Arno (geb. 1921) besuchten alle nach der Grundschule das Internat und machten 1936 und 1937 und ca. 1939 Abitur in St. Blasien.
- Jahrbücher: Stellaner Nachrichten, Mitteilungen für die Mitglieder und Freunde der Stellaner Vereinigungen. Hefte 150 (12 1967), 154, 155. Stellaner Informationsdienst der Stellaner Vereinigung Deutschlands, Nr. 33 (6/1971), 88 (1(1976), 161 (3/1982), 162, 184 (4/1984). Aus der Stella Matutina 122 (6/1977), 123.
- Kalender Katholischer Jugend 1931 und 1932, je von Wolfgang (Herder Vlg., je kl.8°, Leineneinband, je mit Tagebucheintragungen in Gabelsberger Steno; 1931 mit beiliegendem Umschlag, enthalten Handzeichnungen ab 1928).
- Jahres-Taschenbuch 1934 (Franz’scher Verlag 1917, kl.8°, Leinen, Tagebuch 1934 des Wolfgang in Gabelsberger Steno).
- ca. 20 Briefe eines Pater Aug. Neu an die Mutter der Knaben, Feldkirch 1930, dazu ein Brief der Mutter an ihn, ebenso 1930.
- Mappe mit ca. 50 Briefen des Vaters an die Kinder (die Eltern lebten getrennt) sowie andere Briefe der Zeit (ca. 1928-1935, meist 1932).
- Mappe mit Privatdrucken, gefertigt 3 Jahre vor dem Abitur wohl von Wolfgangs Klasse. 1: Kneip-Zeitung der 6. deutschen Klasse Stella Matutina 1933 (ca. 20 Blatt, hektographiert, gedruckt anl. des „kleinen Abiturs“ wohl im April). 2: Programmzettel zu einem Theaterstück, undat. (wohl April 1932). 3: 14seitiger maschinenschr. Text, beschrieben wird ein Tagesablauf der „6. Deutschen“, April 1932.
- 2 Ansichtskarten: Kolleg St. Blasien, 1. Abitur 1935 / Abitur 1936.
- autobiographischer Text des Wolfgang, 80 (!) maschinenschriftliche Seiten (4°), undatiert (verfasst in den 1980ern, nach dem Tode des Vaters 1982). SS. 25 bis Ende behandeln „Meine Jugendzeit in der Stella Matutina 1927-1936“.
Schonungslos berichtet W. anfangs von seiner Kindheit, vom Eheleben seiner Eltern (die sich 1932 trennen) und besonders der schwierigen Mutter. Dann erzählt er von der „Stella-Zeit“, wobei ihm seine Briefe an die Eltern (die beide bis zum Tode aufgehoben hatten) und eigenes Erinnern als Quelle dienen. Intelligent analysiert er sein eigenes psychisches Befinden: Der Alltag im Internat interessiert ihn dabei weniger, als was seine (in heutigen Augen doch arg beklemmende) Umgebung in ihm anrichtet. „Zwei Grundthemen durchziehen als Dominanten meine ganze Pensionszeit, das Thema meines Heimwehs und das Thema meiner Nervosität“ schreibt er. Ein Beispiel (S. 69): „Sonntags nach dem Frühstück pflegte der „Brüderverkehr“ stattzufinden und ich ging dann als der ältere Bruder immer zu Konrads Speisesaal, um ihn zu diesem 20 Minuten dauernden Sonntagsvergnügen abzuholen. Sonst war die ganze Woche keine Gelegenheit geboten, daß sich Brüder hätten unterhalten können. .... Diese 20 Min. .... waren für mich ein Stückchen Heimat, eine Andeutung von Eigenwelt .... Was für Kinder, die das große Glück hatten, im Schoße ihrer Familie aufzuwachsen, eine Selbstverständlichkeit war, durften wir als besonderes Gnadengeschenk aus der Hand der Jesuiten entgegennehmen, auf das ich mich schon die ganze Woche freute. Ich konnte es immer kaum erwarten, und nun hatte ich ... den Speisesaal, nachdem das Tischgebet gesprochen war, ein paar Sekunden vor dem offiziellen Klingelzeichen verlassen. Der 1. Präfekt sieht es zufällig und was tut er? Er streicht mir den Brüderverkehr. Da mag ich mich noch so sehr um Objektivität bemühen, aber wenn ich nur daran denke, fechten mich noch heute Gefühle der Verbitterung an. ...“
Den Autor beschäftigen wie gesagt alleine die Verwundungen seiner Seele. Oft erwähnt wird ein Jesuit namens Delp (sicherlich der 1945 hingerichtete Alfred Delp), da Wolfgang mit ihm nicht zurecht kam. Oft beklagt er sich über den Pater und sein Verhalten!
Der Umzug der deutschen Klassen nach St. Blasien wird kurioserweise nicht beschrieben. Bemerkenswert: Übergriffige Patres oder von ihnen verübter Missbrauch sind nicht erwähnt!
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